Johann G. Thierer „125 Jahre Genealogie auf der Schwäbischen Alb“

Am 27. Juli 1853 wurde in Gussenstadt Johann Georg Thierer als siebtes Kind des Wagners Johann Jacob Thierer und seiner Ehefrau Ursula geb. Hofelich geboren. Seine Kindheit und die Schulzeit verbrachte er in Gussenstadt. Im Jahre 1867 wurde er von Pfarrer Georg Steinbeis, dem Bruder des berühmten Ferdinand Steinbeis, in der Michaelskirche in Gussenstadt konfirmiert. Sein Berufswunsch war es Arzt zu werden, deshalb ging er in die Lehre zu den Wundärzten und Geburtshelfern Bieg und später Burckhardt, welche in Gussenstadt praktizierten um in den Stand der niederen Ärzte zu gelangen. Nebenbei nahm er Privatunterricht in Lateinisch und Griechisch bei den örtlichen Pfarrern Steinbeis und Denk sowie bei Pfarrverweser Resslen.

Geburtshaus in der Ofengasse in Gussenstadt.

Am 16. 2.1871 trat er freiwillig für  2 ½ Jahre in den Militärdienst ein, zuerst im Militärspital in Stuttgart und nach Beendigung des Krieges als Heilpersonal beim 6. Regiment in Ulm auf dem Kienlesberg und später bei der Feldartillerie im Deutschen Haus. Als 1873 durch die Einführung des Reichsgesetzes in Württemberg das Institut der niederen Ärzte aufgehoben wird, musste er sich beruflich neu ausrichten und er begann eine kaufmännische Ausbildung in der Handelslehranstalt von Waiblinger und Kötzle in Kirchheim u. Teck. Nebenher erlernte er die französische Sprache. Nach einjähriger Ausbildung fing er 1874 als Buchhalter im Kolonialwarengeschäft von Karl Walzacker in Karlsruhe an.
Diese Anstellung verließ er 1876, da er an einer schweren Lungenentzündung erkrankte, die er sich auf Grund der dortigen Wohnverhältnisse zugezogen hat. Eine neue Anstellung fand er 1876 im Aussteuergeschäft seines Schwagers Louis Kreiser in Gerstetten und Ulm. Er war für den Vertrieb zuständig, zuerst auf Rechnung des Schwagers, später auf eigene Rechnung. Als er 1905 stärkere gesundheitliche Probleme auf Grund der wohl damals nicht ganz ausgeheilten Lungenentzündung bekam, begab er sich nach Dresden in die Kur- und Heilanstalt von Dr. Lachmann einem zur damaligen Zeit angesehenen Spezialisten. Im Jahre 1907 setzte er sich aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe. Sein bisheriges Hobby die Heimat- und Ahnenforschung, betrieb er von nun an mit seiner ganzen Kraft. Er war Mitglied in verschiedenen Vereinigungen unter anderem beim 1882 gegr. „Herold in Berlin“, bei der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte in Leipzig, der Heraldischen Gesellschaft Adler in Wien und im 1920 gegründeten Verein für Familien- und Wappenkunde in Stuttgart. Im Sommer arbeitete und wohnte er in der mit seinem Bruder Valentin erbauten Villa in Gussenstadt und im Winter mit Rücksicht auf seine Gesundheit in der Kernerstraße in Stuttgart.

Villa Thierer 1905 in Gussenstadt.

Am 5. Mai 1917 verlieh ihm die Philosophische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen auf Antrag des Historikers Professor Johannes Haller und dem Dialektforscher Hermann von Fischer, beide tätig an der Universität in Tübingen, die Ehrendoktorwürde zum Dank für seine vorbildlichen Bemühungen um die Pflege der Heimat und die Erforschung der Vergangenheit sowie als Würdigung für seine in zwei Bänden erschienene Ortsgeschichte von Gussenstadt. Johann Georg Thierer starb am 24. Juli 1923 in Gussenstadt.

Johann Georg Thierer gilt als erster Genealoge, der eine Familienchronik über ein Bauerngeschlecht herausgibt. In der Zeitschrift „Der Deutsche Herold“ 1909 Nr.2 schreibt Dr. Stephan Karl Kekule von Stradonitz (einer der wohl bekanntesten früheren Genealogen, nach dem die Nummerierung in Ahnentafeln benannt ist) über „Chronik und Stammbaum der Familien Thierer: „Es ist die erste Genealogie eines seinem Ursprunge nach bäuerlichen Geschlechtes, die hier in ausgiebiger, durchweg auf urkundlichen Quellen beruhender Darstellung als das Ergebnis jahrelangen Sammelns, eifrigen Forschens und höchst mühsamer Arbeit der Wissensschaft vorgelegt wird.“ „…….. Würde dieses nachahmenswerte und einsichtige Beispiel recht zahlreiche Nachfolger finden, so wird es in etwa 100 Jahren mit dem Material zur Betreibung der Genealogie als Wissenschaft in Deutschland wesentlich besser stehen, als in der Gegenwart. Im Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung Verlag Degener und Co. schreibt Waldemar Schuff in seinem Chronologischen Abriss zur Geschichte der Genealogie in Deutschland (Auflage 12 Seite 651 bis 674). „1908 Mit Chronik und Stammbaum der Familien Thierer von der schwäbischen Alb von Georg Thierer wird die erste umfassende Arbeit über ein Bauerngeschlecht vorgelegt.“  Dieses 1908 erschienene Werk ist aber nur die Weiterführung der schon im Jahre 1896 im Selbstverlag von Thierer in 35 Exemplaren herausgegebenen Geschichte der Familien Thierer. Im Format 19 X 22 in Leder gebunden und Gold geprägt mit Rotschnitt 70 Seiten zwei Bildtafeln, und ausfaltbarem Stammbaum.  Im Vorwort dieses Buches schreibt Thierer
„An alle Empfänger und an alle späteren Besitznachfolger dieser in fünfunddreißig Exemplaren gedruckten Familienchronik ergeht noch dringende Bitte, auf deren Verwahrung und Vererbung an die Nachkommen bedacht zu sein, auch dafür zu sorgen, dass das Büchlein nicht in unberufene oder in solche Hände gelangt, welche außerhalb unseres Familiengeschlechts und Verwandtschaft stehen.“.

Wappen der Familie Thierer

Über den Zeitraum von 1896 bis 1922, also innerhalb von 27 Jahren, verfasste und erstellte Georg Thierer insgesamt

12 Heimatkundliche und Genealogische Arbeiten:

1896 Geschichte der Familie Thierer Chronik und Stammbaum

1908 Chronik und Stammbaum der Familien Thierer der Schwäbischen Alb. Der Verfasser selbst beschreibt sein Werk wie folgt: 160 Seiten Text im Querformat mit 12 Stammtafeln im größten Format, enthaltend 2000 Köpfe, nebst kolorierter Wappentafel, kartografischer Darstellung der Familien, 3 statistische Tabellen, 4 Personenregister u. 4 Bildtafeln. Preis: Gebunden 16 Mark.

1911 Einrichtung eines Ortsmuseums im von seinem Bruder Valentin Thierer erbauten Gemeindehaus „Ursulastift“ in Gussenstadt.

1912 Ortsgeschichte Gussenstadt Band I. 332 Seiten mit 63 Abbildungen. Für Genealogen besonders wichtig die 198 Seiten Häuserverzeichnis mit Besitzfolgen der einzelnen Häuser ab 1474, Haus- und Familiengeschichtliche Erzählungen, Familiennamen, Auswanderer, namhafte nach auswärts verzogene Gussenstadter, Namen von Zugezogenen, Bevölkerungstabelle und 22 Stammtafeln der 1912 noch lebenden Gussenstadter Geschlechter.

1913 Dorfmuseum und Bibliothek im Ursulastift (Illustrierter Katalog).

1913 Heimatsang, Lieder und Weisen der Schwäbischen Alb

1914 Chronik und Stammbaum der Familien Hofelich. Das Buch Leinengebunden mit Goldprägung umfasst 103 Seiten mit zahlreichen Bildern einer Ahnentafel und einer Stammtafel. Als Stammvater dieser Familie nennt Thierer Hans Hofelich aus Waldhausen, erstmals im Kirchenbuch am 1. Oktober 1673 genannt. Auf Grund der bei unserem Arbeitskreis sowie bei den Ostalbgenealogen in Aalen vorhanden Kirchenbücher konnte dessen Vater und Großvater ermitteln werden, welche aus Wißgoldingen stammen, was Thierer zwar vermutete, aber auf Grund fehlender Informationen nicht nachweisen konnte.

1916 Ortgeschichte Gussenstadt Band II. 535 Seiten mit 51 Abbildungen und zahlreichen Tabellen sowie einer Flurkarte. Für Genealogen besonders wichtig die Aufzählung der Gemeindebediensteten wie auch der Klosteramtsbediensteten und der Kriegsteilnehmer bis zum 1. Weltkrieg.

1921 Chronik und Stammbaum der Familien Bosch mit Ahnentafel Robert Bosch. Das Buch mit Goldprägung umfasst 109 Seiten mit zahlreichen Bildern einer Ahnentafel von Robert Bosch und acht Stammtafeln.

1921 Ahnentafel August Lämmle. (das Original liegt in der Bibliothek des Vereins für Familienkunde in Baden-Württemberg in Stuttgart)

1922 Stammbaum der Familien Groninger der Schwäbischen Alb. Erstellt als Auftragsarbeit. 5 Seiten und eine große Ahnentafel. Als Stammvater nennt er Hans Groninger gestorben am 7. März 1666 in Kuchen

1922 Stammtafel Fink. (Arbeit nicht vollendet das Original liegt in der Bibliothek des Vereins für Familienkunde in Baden-Württemberg in Stuttgart)

Copyright 2011 Willi-Martin Jäger