Die größte Klavierfabrik der Welt

Geschichte eines Auswanderer geboren in Ulm

Johann Valentin Steeger, Sohn eines Gussenstadter Bürgers, Gründer der größten Klavierfabrik der Welt und Namensgeber eines Ortes südlich von Chicago.

John Valentin Steeger, in den USA John Valentin Steger genannt, wird am 24. März 1854 in Ulm in der Kohlgasse 9 geboren. Er war das fünfte Kind des Gussenstadter Bürgers Johann Michael Steeger geb. am 12.2.1820 in Gussenstadt und Agnes Maria Rösch geb. am 13.11.1822 in Eislingen.

Sein Großjvstegervater wurde in Heuchstetten geboren. Sein Vater Johann Michael arbeitete als Schanzarbeiter in Ulm. Als Johann Valentin gerade mal 12 Jahre alt war, nimmt sich sein Vater 1866 das Leben. (Quelle: OAG Auswärtswohnende Gussenstadter Bürger) Johann Valentin wird von seinem Onkel Jakob Rösch nach Eislingen geholt und erlernt das Schreinerhandwerk. Onkel Jakob wird für ihn zur Vaterfigur. In seiner Biographie wird davon gesprochen, dass er bei seinem Vater das Schreinerhandwerk gelernt habe. Mit 17 Jahren wandert er 1871 nach Amerika aus, wo er, er mit 12 Cent in der Tasche, am 4.10.1871 in New York mit dem Schiff Westphalia aus Hamburg ankommt (Quelle: Reisepassantrag USA 1914). John Valentin spricht kein Englisch, findet aber sehr schnell einen Helferjob bei der Reparatur einer Eislagerhalle, um das Geld für die Reise nach Chicago zusammen zu bekommen. Chicago hat er sich als Ziel ausgesucht, weil dort sein Onkel Christian Steeger, geb. am 23.8. 1823 in Gussenstadt wohnt, welcher schon 1854 nach Amerika ausgewandert war. In Chicago angekommen arbeitete er als Möbelschreiner für 5,50 Dollar in der Woche. Am 4.5.1873 heiratet er die ebenfalls 1854 geborene Louise Rosena Jacobs, die Tochter einer frühen Auswandererfamilie.

Im Jahre 1879 machte er sich selbständig, nachdem er 3900 Dollar gespart hatte. Er eröffnete ein kleines Klaviergeschäft in Chicago mit gerade mal 5 Klavieren. Neben dem Verkauf von Klavieren machte er auch Reparaturen und bemühte sich um die Qualitätsverbesserung dieser Instrumente. Nachdem sein Geschäft erfolgreich läuft beginnt er 1881 mit der Produktion von Klavieren, wozu er das Geschäft in ein größeres Gebäude verlagert, welches 1891 durch einen Brand im danebenliegenden Hotel schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Er verlagerte sein Geschäft innerhalb Chicagos an die Ecke Jackson und Wabash Straße. Als 1893 auch diese Räume zu klein wurden kaufte er im 55 km südlich von Chicago gelegenen Columbia Heights genannten Gebiet 81.000 m2 Land und baute dort eine neue Produktionsstätte für seine 35 Mitarbeiter.

Schon 1895 übernimmt er die Rice & Macey Piano Company. 1896 wird die Firma in Steger & Sons umbenannt und der Ort erhielt einen neuen Namen, nachdem die Einwohnerzahl auf 325 angestiegen war. John Valentin Steger machte den Vorschlag, dass der Ort von
demjenigen den Namen erhalten soll, welcher bereit ist piano2400 Dollar in die Gemeindekasse zu bezahlen. Die Firma Smith & Nixon war zuerst bereit diese 400 Dollar bezahlen. Die Eigentümer in Cinncinati zogen das Angebot aber zurück nachdem sich die Einwohner in einer Abstimmung gegen den Namen Nixon-Ville entschieden hatten und den Namen Steger wollten. Deshalb zahlte John Valentin Steger die 400 Dollar und der Ort wurde von Columbia Heights in Steger umbenannt. John Valentin selber war dann von 1897-1899 Präsident der Gemeinde. Im Jahre 1902 übernimmt er die Firma Reed & Sons, die Produktion der normalen Klaviere erfolgte von da an im Stammwerk in der 33. Straße, die Konzertflügel in der 35. Straße in dem ehemaligen Reeds & Sons Firmengebäude und für die automatischen Klaviere wurde in der 34. Straße ein neues Gebäude errichtet. Phonographen / Grammophone wurden im Stammwerk in einem neuen Produktionsgebäude gefertigt. Im Jahre 1908 arbeiteten bei Steger & Sons 1.600 Männer (über die Hälfte der Einwohner des Ortes) in lichtdurchfluteten und gut belüfteten Räumen bei gutem Lohn und einer jährlichen Leistungszulage. Für die Mitarbeiter wurden von der Firma Häuser gebaut und für 850-1050 Dollar an die Mitarbeiter zu monatlichen Raten von 10 Dollar verkauft. Steger hatte sich eine große Firmengruppe aufgebaut er war Geschäftsführer von Steger & Sons, stellv. Geschäftsführer der Flanner-Steger Land und Wood Company, Direktor der Steger Bank, der Bank of Chicago Heights und der Monroe Nationalbank in Chicago.

Für die Verwaltung und den Vertrieb wurde im Jahr 1909 in Chicago das 19-stöckige Steger stegerbuildingBuilding gebaut, eines der ersten Hochhäuser von Chicago. Steger selber war auch für den Export zuständig, er machte von 1897 bis zu seinem Tod mehrere Geschäftsreisen nach Europa. Zu den Kunden gehörte unter vielen Tausend andern auch der Vatikan. Bis zum tragischen Tod von John Valentin Steger am 11.6.1916 in Steger/Illinois, wo er nach einem Herzinfarkt -den er beim Füttern seiner Fische erlitt- im Fischteich ertrank, hatte sich der Ort Steger zur Klavierhauptstadt entwickelt. In der Firma arbeiteten 2.500 Mitarbeiter, die 100 Klaviere am Tag und 30.000 Phonographen im Jahr produzierten. Neben der Firma hinterließ er umgerechnet 80 Mio. Euro. Die Stiftung eines Stipendiums für den jeweilig besten Schüler im Schuljahr aus Steger, sowie das Geld für ein Krankenhaus, welches die Einwohner von Steger kostenlos versorgen soll.

Schon 1920 machte sich der Verlust des Firmengründers doch sehr bemerkbar. Zwar konnte die Firma durch die Produktion der Phonographen noch über Wasser gehalten werden, der Boom des Klaviers war aber vorbei. Phonographen und der beginnende Rundfunk ließen die Verkaufszahlen stark sinken. Die Wirtschaftkrise machte das übrige. 1926 musste die Firma geschlossen werden. Die Söhne von Johann Valentin, Georg und Christian, hatten nicht die glückliche Hand ihres Vaters geerbt. Über seinen Sohn Georg findet sich folgende Schlagzeile 1920 in der New York Times.

„1.350 000  Dollar innerhalb eines Jahres vergeudet“ (heute ca. 21,5 Millionen Euro)

Seine Aussage: Ich kann nicht sagen was mit meinem Erbe geschehen ist! Es floss mir einfach durch die Finger. Mein Bruder soll in Zukunft den Rest für mich verwalten! Jeder der zwei Brüder hatte 2 Millionen Dollar geerbt 1,5 Millionen davon in Bar, der Rest in Aktien.

Die Firma in Steger ist Ende der 1940er Jahren dem Erdboden gleichgemacht worden. Das Steger Building in Chicago ist das einzige, was von der ehemals weltgrößten Klavierfabrik übrig blieb. Für Klaviere der Firma Steger werden heute bis zu 30.000 Dollar bezahlt.

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